Wie wird die Welt »nach Corona« aussehen? Werden wir – nachdem die Politik der Wirtschaft mit einem »Wumms« auf die Beine geholfen hat – wieder zur alten Normalität zurückkehren? Oder wird alles ganz anders ein? Was wird sich ändern?
Zu den Erfahrungen der Corona-Krise gehört, dass vieles, was z. B. bei »Fridays for Future«, bei Klima- und Umweltschutz etc. lange gefordert, aber immer als »unmöglich« zurückgewiesen wurde, nun ganz schnell realisiert werden konnte. Die Forderung, auf Inlandsflüge zu verzichten, wurde als weltfremd abgetan; jetzt stehen die Flugzeuge ganz auf dem Boden – und die Welt dreht sich immer noch! Grund könnte die potentielle persönliche Betroffenheit sein: Bei Corona könnte ich selbst nächste Woche auf der Intensivstation liegen; aber was interessiert mich der Regenwald am Amazonas. Der Erklärungswert geht darüber hinaus: Entscheidend sind letzten Endes nicht die Beschlüsse der Politiker, sondern, ob die Menschen bereit sind, diesen Beschlüssen zu entsprechen. Wir selbst müssen ein Bewusstsein für die Risiken unserer Lebensweise ausbilden. Mentalitäten kann man nicht bewusst (= aus Einsicht in die Notwendigkeit) ändern, aber Corona könnte mit langfristigen Gewohnheiten (»Händeschütteln«, Mund-Nase-Schutz, »Faire la bise« u. v. a.) auch Mentalitäten umwandeln. Ob das so weit gehen wird, dass es zu spürbaren Veränderungen unserer Lebensweise kommt? Ob wir z. B. unser Reise- und Freizeitverhalten (Ischgl!) verändern werden, das ja mit ursächlich war für die Verbreitung? Nach einem Stau auf der Autobahn fahren alle besonders rasant, um, oft unbewusst, die verlorene Zeit aufzuholen, mit dem Ergebnis besonders vieler Unfälle. Nach Ende des Lockdown, so ist zu befürchten, werden viele glauben, die Gefahr sei ja vorbei, und sich, quasi kompensatorisch, unvernünftiger verhalten denn je. Andererseits könnte die Erfahrung der Pandemie aber auch stärkere soziale Kontrolle in Bezug auf das Risikoverhalten bewirken. Wo endet »zwischenmenschliche Achtsamkeit«, wo beginnt »Blockwart-Verhalten«?
Im Folgenden bleibt der Bereich der Wirtschaft ausgespart. Zwar gilt auch hier, dass Corona viele ohnehin gegebene Entwicklungen sprunghaft beschleunigt. Aber es ist oft noch nicht zu entscheiden, welche Entwicklungen tatsächlich in Corona ihren Grund haben. (Beispiel Autoindustrie: Der Wandel war ohnehin überfällig.) Zweitens würde eine umfassende Darstellung den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Und last but not least sehe ich mich auf Grund eigener beruflicher Erfahrung als Didaktiker und Ausbilder von Lehrern für die Grundschule und die Sekundarstufe 1 an Hauptschulen sowie Sonderpädagogen an der Universität zu Köln »zuständig« für diesen Bereich. Das heißt auch: Wo im Folgenden nicht anderes gesagt wird oder ein Vergleich gezogen wird, denke man im Zweifelsfall weniger ans Gymnasium als an die Hauptschule.
Nicht einfach wieder zur Vor-Corona-Situation zurückkehren wird man beim Digital learning bzw. Homeschooling. Auf die einmal aktivierten ideellen und materiellen Ressourcen, erworbenen Kompetenzen und erarbeiteten Materialien, Formate und Konzepte wird man nicht einfach wieder verzichten. Was sich bewährt hat, wird niemand nur für einmaligen Gebrauch gemacht haben wollen. So ist leicht zu vermuten, dass die Zukunft der Schule eine Kombination sein wird von Formen mit physischer Präsenz und virtuell-digitalen. (s. Barbara Gillmann, Larissa Holzki, Melanie Raid: Corona-Bildungslücke: Deutschland muss in Schulsystem investieren / Zukunft durch Bildung: Diese Schulen sind Vorbilder für Deutschland. Handelsblatt, 19.6.2020: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/corona-defizite-zukunft-durch-bildung-diese-schulen-sind-vorbilder-fuer-deutschland/25924190.html)
Auf die konkreten didaktischen Entwicklungen kann hier nicht eingegangen werden; die Fülle digital-didaktischer »tools«, die engagierte Lehrer und die in der Lehrer-Ausbildung Tätigen entwickeln oder schon entwickelt haben, ist beeindruckend, um nicht zu sagen überwältigend. Ich verweise nur (auch aus eigen-biographischen Gründen) beispielhaft auf die Aktivitäten des »Zentrums für LehrerInnenbildung« (ZfL) an der Universität zu Köln. (s. https://zfl.uni-koeln.de; dort z. B.:
• Das Schulnetzwerk im ZfL: Zukunft verbindet – Für die Schule von morgen.
• Digitaler Unterricht und neue Lernsettings sind über Nacht zur Regel geworden. Der #TeachingTuesday liefert Ihnen wichtige Impulse zur Gestaltung Ihres digitalen Unterrichts – vom Einsatz von Open Educational Resources über Good-Practice-Beispielen aus der Schule bis hin zum Thema Digitale Ethik.
• Die Corona-Maßnahmen verändern den Arbeitsalltag: Home Office wird zum Regelfall, digitale Führung ist wichtiger denn je. Beim #WorkingWednesday sprechen wir mit Experten über die veränderte Arbeitswelt und die Herausforderungen und Chancen, die diese Zeit mit sich bringt.)
Die Schüler
Entgegen landläufigen Meinungen ist es weniger die Hardware, die Probleme bereitet und deshalb in den Medien in spektakulären Berichten behandelt wird – wobei dieser Aspekt selbstverständlich bei benachteiligten Schülern ganz erheblich ist. Das technische »häusliche Lernumfeld, das im Kontext des Homeschoolings deutlich an Bedeutung gewonnen hat, ist in den meisten Fällen gut. 90 Prozent der Zwölfjährigen hatten im Jahr 2018 einen eigenen Schreibtisch und 89,6 Prozent Zugang zu einem Laptop oder PC. Allerdings stellt sich die Lage bei den Kindern aus bildungsfernen Familien, Familien im Arbeitslosengeld-2-Bezug und Familien mit Migrationshintergrund in beiden Fällen ungünstiger dar.« (Institut der deutschen Wirtschaft: IDW-Report 15/2020: Häusliches Umfeld in der Krise: Ein Teil der Kinder braucht mehr Unterstützung. Köln, 20.4.2020: https://www.iwkoeln.de/studien/iw-reports/beitrag/wido-geis-thoene-ein-teil-der-kinder-braucht-mehr-unterstuetzung.html)
Problematischer ist das soziale häusliche Umfeld der Schüler. Es ist extrem verschieden in sozialer Differenzierung wie auch im Vergleich Deutschland, Österreich und Schweiz, wie gut die Schüler erreicht werden und mitarbeiten, wie groß ihr Lernengagement oder wie groß die Unterstützung durch die Eltern ist etc. In Deutschland sind es nur 50 Prozent , die keine der digitalen Präsenzzeiten versäumen. (Wie ist es da eigentlich mit der Durchsetzung der Schulpflicht?) Nur 34 Prozent der Lehrer berichten in Deutschland, dass die Kinder und Jugendlichen zuhause regelmäßig an ihren Aufgaben arbeiten, etc. (Das Deutsche Schulbarometer Spezial – Robert-Bosch-Stiftung 2020/04: https://deutsches-schulportal.de/unterricht/das-deutsche-schulbarometer-spezial-corona-krise/) In Österreich und der Schweiz sind die Werte höher …
Betrachtet man den gleichen Sachverhalt aus der Perspektive der Schüler, zeigen sich ganz andere Ergebnisse: Über 2000 Schülerinnen und Schüler, die im Schnitt 17 Jahre alt waren und überwiegend das Gymnasium besuchten, wurden befragt, welche Lernmethode sie für die effektivste halten. 42 Prozent sagten, mit Videos und Erklärclips im Internet lernten sie am besten. Nur für 27 Prozent war der Klassen-Unterricht die beste Wahl. Die Welt der Jugendlichen ist bereits weit »digitaler« als die Realität der Schule. Und offensichtlich gibt es eine soziale Differenz bzw. eine Differenz zwischen den Schulformen. Im Ergebnis ist das manifest als Differenz zwischen den Schülern, die etwas lernen wollen (und in diesem Alter auch bereits gelernt haben, wie man selbstständig lernt) und denen, die nur ihrer Schulpflicht genügen. (Engels, Barbara; Schüler, Ruth Maria: Bildung digital? Wie Jugendliche lernen und Schulen lehren. IW-Trends 2/2020 ; Institut der deutschen Wirtschaft. Juni 2020: https://www.iwkoeln.de/studien/iw-trends/beitrag/barbara-engels-ruth-maria-schueler-wie-jugendliche-lernen-und-schulen-lehren-470699.html)
Die Schere öffnet sich
Wenn im Bereich Hauptschule eine erhebliche Zahl der Lehrer berichtet, dass sie zu einem bestimmten Teil der Schüler gar keinen Kontakt mehr haben, während am Gymnasium die Schüler auch die neuen Möglichkeiten nutzen und während von Privatschulen berichtet wird, dass der Unterricht vollumfänglich weitergeht, nur eben jetzt digital und dabei noch effektiver als vorher analog, dann zeigt das: Eine, wenn nicht die zentrale Folge von Corona wird sein, dass sich die (ja auch schon von PISA und IGLU festgestellten, im Vergleich zu anderen Ländern ohnehin besonders großen) sozialen Chancen-UN-Gleichheiten im Bildungssystem noch weiter verstärken.
Die Eltern
Es sind die Eltern, die hier Einfluss nehmen müssten. Freilich sind dazu nicht alle Eltern in der Lage (und das ist der Hauptgrund für die Chancen-UN-Gleichheiten). Die Gründe dafür reichen von materiellen Defiziten (fehlende Endgeräte, beengte Wohnverhältnisse etc.) über fehlende Sprachkenntnisse und das niedrige Bildungsniveau der Eltern bis zu grundsätzlich negativen Einstellungen zu Bildung. (Man vergleiche die extrem unterschiedlichen Bildungsanstrengungen asiatischer und orientalischer Migranten.)
Aber auch in anderer Hinsicht zeigen sich Corona-Folgen. Lehrer berichten von Eltern-Gesprächen ganz neuer Qualität, da diesen Eltern im Homeschooling erfahrbar wurde, dass die schulischen Probleme ihres Kindes nicht auf die früher unterstellten Ungerechtigkeiten oder Unfähigkeiten der LehrerIn zurückgehen, sondern tatsächlich Probleme ihres vielleicht doch nicht hochbegabten Kindes sind! Und Lehrer goutieren die durch die Erfahrungen des Homeschooling bei den Eltern erzeugte neue Wertschätzung der Lehrer-Tätigkeit. Den Eltern ist klar geworden, dass »Unterrichten« nicht etwas ist, was sowieso jeder kann, sondern ein Beruf, den man lernen muss. Die Diffamierungen des Lehrerberufs (»Lehrer haben vormittags recht und nachmittags frei«), oder auch den Satz des früheren SPD-Vorsitzenden und Kanzlers Schröder, Lehrer seien »faule Säcke«, hört man inzwischen seltener …
Bereits jetzt kontrovers diskutiert wird ein Aspekt, der besonders dort brisant wird, wo Homeschooling und Homeoffice zusammen treffen: Einmal mehr sind es die Frauen, die wieder in eine Rolle gedrängt werden, die sie überwunden geglaubt hatten.
Die Lehrer
Die Probleme der Lehrer gründen zunächst in der unzureichenden technischen Ausstattung der Schulen, die zur Nutzung privater Hardware zwingt. Nach einer GEW-Umfrage nutzen 90 Prozent der Lehrkräfte im Unterricht ein privates Notebook. (Klein, Susanne: Öffentlicher Dienst am Privat-PC. Süddeutsche Zeitung, 4.6.2020.) Das kann auf die Dauer keine Lösung sein, denn die Situation ist bereits arbeitsrechtlich paradox: Wenn Lehrer in Ermangelung schuleigener Ressourcen Dienste wie WhatsApp, Zoom, Microsoft-Teams oder ihre privaten E-Mail-Konten nutzen, drohen ihnen (Beispiel: Thüringen) Bußgelder bis zu 1000 Euro. Aber die Schulen haben nicht die Mittel, ihnen dienstlich Hard- und (legal) Software zur Verfügung zu stellen. Datenschutz-Katastrophen sind programmiert, da auf den mit »Zoom« etc. »öffentlich« operierenden Computern auch Prüfungsaufgaben, Notenlisten und Begutachtungen gespeichert sind. Und da sie meist bessere Computerkenntnisse haben als die Lehrer, sollten die Schüler keine allzu großen Schwierigkeiten haben … (!) Denn das ist der zweite, gravierendere Grund für Probleme: die unzureichende digitale Qualifikation. Dass, per E-Mail Arbeitsblätter zu verschicken, noch keine »digitale Lehre« ist, hat sich inzwischen herumgesprochen. Das ist weitgehend (aber nicht nur!) eine Generationenfrage, die »digital natives« haben da zunehmend weniger Probleme. Technisch können die Lehrer zudem vielfach darauf vertrauen, dass ältere Schüler ihnen erklären werden, »wieʼs geht«. Auf jeden Fall erzwingt Corona einen »Sprung vorwärts« in einer sonst eher langsamen Entwicklung. Der Didaktiker sieht die Vorteile: digital teaching / learning kann (!) mehr Differenzierung und Individualisierung ermöglichen als Präsenz-Unterricht im Klassenzimmer und so den unterschiedlichen Lernständen, Lerntempi und Lernweisen der Schüler besser entsprechen. Oder anders: Die seit Jahren geforderte (und als in der Realität nicht möglich angesehene) individuelle Förderung der Kinder ist digital leichter möglich. (Hettesheimer, Merle: Wie wir morgen leben. Smarte Mobilität, digitale Bildung und nachhaltige Wirtschaft; Risopp, Isabelle: Wege zum digitalen Unterricht. Was wir heute schon tun können. Beide in: Zentrum für LehrerInnenbildung an der Universität zu Köln (Hg.): Das Ende der Kreidezeit. Bildung auf dem Weg in die Zukunft. Themenheft # future 19. Köln, Juni 2020: https://zfl.uni-koeln.de/sites/zfl/Publikationen/ZfL-Broschueren/themenheft-future19.pdf)
Die öffentliche Diskussion blendet derlei gern aus: Lehrerinnen berichten geradezu erlöst, wie befreiend es ist, im »Unterricht« der Hauptschule nicht von der Disziplinierung pubertärer Dauer-Störer absorbiert zu sein oder sich von 14-, 15-jährigen Jung-Machos, die sich »von einer Frau nichts sagen lassen«, als »Schweinefleischfresserin« oder als »F…« bezeichnen zu lassen: »Ich f… deine Mutter!« Komplementär schätzen auch Schülerinnen und Schüler den Wegfall von Schulhof-Mobbing.
Hier zeichnen sich disparate Veränderungen, sogar Verwerfungen im Charakter des Systems Schule ab. Im Ergebnis wird es zu einer Diskussion führen, welche der Aufgaben, die Politik und Gesellschaft über Jahrzehnte dem System Schule aufgebürdet haben – immer mehr und immer noch etwas Neues, bis zur kompletten »Entlastung« der Eltern, als hätten sie gar keine Kinder – tatsächlich genuine Aufgaben der Schule sind und welche nicht. Oder anders: Wenn man die Hauptfunktion der Schule nicht darin sieht, »Bildung und Erziehung« zu vermitteln, sondern darin, die Eltern von der Anwesenheit ihrer Kinder zu befreien, dann sollte man das auch so sagen – und dem Rechnung tragen.
Hochschule
Was an den Schulen geht, sollte doch aufgrund der höheren »Reife« der Studierenden erst recht kein Problem sein. Aber andererseits könnte sich das Problem hier noch deutlicher ausformen. Der Deutsche Hochschulverband hat dieser Tage Unterschriften gesammelt für einen Aufruf zur Beibehaltung der Präsenzlehre an Hochschulen bzw. die schrittweise Rückkehr zu Präsenzformaten: »Was die Schulen zu leisten in der Lage sind, sollte auch Universitäten möglich sein: Die Integration von Elementen der Präsenzlehre, etwa in kleineren Gruppen in größeren zeitlichen Abständen, je nach Bedarf, je nach lokalen Gegebenheiten.« (s. https://www.praesenzlehre.com/) (Wohlgemerkt: Integration von Elementen der Präsenzlehre in die digitale Lehre – nicht umgekehrt!)
Über 2500 Hochschullehrer haben sich bereits beteiligt; die Argumente sind nachvollziehbar. Doch die Aktion zeigt die Befürchtungen, dass die Kultusministerien, die Kosteneinsparungen im Auge, den Anteil der Präsenzlehre zurückdrängen wollen. Allerdings haben auch schon »vor Corona« mancherorts die Ministerien – oft gegen den Widerstand der Hochschullehrer – versucht, die Präsenzlehre an der Universität (hier im Sinne der Anwesenheitspflicht bei Lehrveranstaltungen) zurückzudrängen. Eher unerwartet gibt es auch bei der digitalen Lehre im Hochschulbereich einen Aspekt, den man eigentlich (nur) bei den Videokonferenzen von Unternehmen erwartet. In einem letztlich komplementären Vorgang beobachtet man bei digitalen Lehrformaten (z. B. »Zoom«), dass die Studierenden oft ihre Kamera abschalten, weil sie den Lehrenden keinen Einblick in ihr (im Hintergrund sichtbares) Privatleben geben wollen. Anderseits versuchten Hochschulen (z. B. die »Leuphana«) die Studierenden vor der Kamera zu »angemessener Kleidung« zu forcieren – im Wesentlichen vergeblich.
Homeoffice: Die Kaskade
Durch das häufige Zusammentreffen von Homeschooling und Homeoffice gibt es nicht nur Kombinationseffekte, sondern es zeigt sich, dass gesellschaftlich alles mit allem zusammenhängt. Die Corona-Veränderungen können ganze Kaskaden an Folge-Veränderungen auslösen. Am Ende der Quarantäne-Maßnahmen in Deutschland hat ungefähr ein Viertel aller Beschäftigten im Homeoffice gearbeitet. (In anderen Ländern, z. B. Japan, ist die Akzeptanz deutlich geringer – eine interkulturelle Irritation mehr.) Damit dürfte etwa die Quote erreicht sein, bei der das sinnvoll möglich ist. Viele Firmen haben sich bisher dagegen gewehrt, manche sicher auch, weil sie – zu Recht! – die Veränderung betrieblicher Hierarchien und einen »Machtverlust« für Büro-Autokraten fürchteten. Nun haben sie die Erfahrung der Vorteile gemacht, von der oft sogar höheren Produktivität bis dahin, dass weniger teurer Büroraum benötigt wird, was Einsparungen bedeutet. Folge: Die Nachfrage nach Büro-Immobilien in den Städten sinkt. Und die Büros müssen auch nicht mehr im Zentrum der Städte liegen, sie können auch in den Vorstädten liegen. Und bei den »neuen Büros« stehen weniger die individuellen »Arbeitsplätze« im Focus als die Möglichkeiten für den Austausch zwischen den vielleicht tageweise zwischen Homeoffice und Präsenz wechselnden Mitarbeitern. Andererseits steigt die Nachfrage nach größeren Wohnungen, in denen, u. U. für beide Ehepartner, (als Arbeitszimmer steuerlich absetzbar) ungestörtes Homeoffice möglich ist. Die aber können wiederum, weil der Weg zur Arbeitsstätte wegfällt (Kosten, Zeit), auch auf dem Land sein. (Wer aktuell Immobilien kauft …) Zugleich sinken durch den geringeren Pendler-Verkehr die Schadstoffbelastung der Luft und die damit verbundenen Gesundheitsschäden. Und wieder andererseits geht so die Nachfrage nach Autos zurück und gehen Arbeitsplätze in der Autoindustrie verloren. Arbeitslose belasten die Sozialetats, besonders die der Kommunen. Und so immer weiter … Die Bilanz per Saldo? Das wissen wir vielleicht in zehn oder zwanzig Jahren.
Die konkreten »Lebensformen« im Homeoffice sind so vielfältig wie unabsehbar. Während der Versuch von Hochschulen (»Leuphana«), die Studierenden vor der Kamera zu »angemessener Kleidung« zu forcieren (s. o.) (einstweilen?) vergeblich war, ist derlei im Homeoffice möglich. Die Mode- und Textilindustrie reagiert bereits: So, wie man auf den Laufstegen von Chanel, Dior, Prada bereits Models mit schickem Mundschutz sieht, so gibt es bereits Angebote für ein »Home-Business-Dress (w/m/d)«. Die Textilindustrie gehört ohnehin zu den Profiteuren der Krise, da im Homeoffice wegen veränderter Ernährungsgewohnheiten (Wegfall Kantine, Selbst-Kochen = größere Portionen, Dauer-Nähe des Kühlschranks …) die Hosen enger werden. Bei einer Umfrage der »mhplus Krankenkasse« und der »SDK Süddeutschen Krankenversicherung« gaben Mitte April 37 Prozent der befragten Arbeitnehmer an, sich im Homeoffice ungesünder zu ernähren.
Historischer Zusammenhang
Das Beispiel Homeoffice ist in seiner Bedeutung nur zu verstehen, wenn man die Entwicklungen in ihren größeren historischen Zusammenhängen sieht. Nicht erst durch digital tracking, sondern schon längst durch die »neuen Medien«, Internet etc. hat sich das Konzept von Privatheit bzw. Intimität als historische Episode der bürgerlichen Gesellschaft erwiesen, die im 18. Jahrhundert ihren Ursprung hatte und inzwischen zu Ende ist. Ebenso ist die kategoriale, bewusstseinsmäßige Trennung von Arbeit und Freizeit, für die ihre räumliche Trennung nur Ausdruck ist, nicht mehr durchzuhalten. Auch sie war Aspekt der Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft im 18. Jahrhundert. Wie für historische Veränderungen typisch, wird sich die praktische Auflösung dieser kategorialen Trennung zuerst bei bestimmten Gruppen durchsetzen, aber als Veränderung des Bewusstseinsmusters breiter wirksam werden. Was aus Sicht der bisherigen Trennung die gegenseitige Durchdringung von Arbeit und Freizeit ist, könnte die zunehmende Aufhebung der kategorialen Trennung sein. Die Nutzung von Programmen wie »Zoom«, die sich beruflich für virtuelle Konferenzen bewährt haben, kann im privaten Bereich fortgesetzt werden. Ich kenne eine Familie mit fünf erwachsenen, weit entfernt voneinander lebenden Kindern (mit Enkeln etc.) die, nachdem es sich im beruflichen Kontext bewährt hatte, nun einmal pro Woche »jour fixe« per »Zoom« ein virtuelles Familientreffen halten – was real völlig unmöglich wäre. Es werden – wie bei den Kontakten in der Quarantäne – nicht analog-reale Kontakte durch digital-virtuelle willkürlich »ersetzt«, sondern sie sind überhaupt nur so möglich. Schon immer bedeuteten Krisen einen Schub für historische Prozesse. So zeichnet sich einmal mehr ab, dass Corona im Mikro- wie im Makrobereich nicht völlig neue Entwicklungen veranlasst, sondern Entwicklungen, die ohnehin »unterwegs« waren, vorantreibt. Corona beschleunigt also schubhaft einen seit Langem zu beobachtenden Prozess, in dem körperlich-sinnliche Kontakte und Erfahrungen durch vermittelte, symbolische ersetzt werden. Das ist freilich ein sehr langfristiger zivilisatorischer Prozess, den schon Norbert Elias beschrieben hat. (vgl. Schön, Erich: Der Verlust der Sinnlichkeit. Stuttgart 1987 / 1993.)
Die historische Spezifik des aktuellen Moments in diesem langfristigen Prozesses liegt darin, dass die Erfordernisse der Pandemie heute auf die technischen Möglichkeiten der Digitalisierung und – perspektivisch – der künstlichen Intelligenz treffen.
Sehr geehrter Herr Schön,
vielen Dank für den sehr interessanten Text und ihre Kommentare!
Mit einer Schwester, die nun bald ihr Referendariat beginnt, und einem Bruder, der in der Corona-Krise Abitur macht, haben wir uns in der Familie auch viele Gedanken zu den Auswirkungen der Pandemie auf das Schulwesen gemacht. Beispielsweise hat meine Schwester, die seit Jahren Nachhilfe neben dem Studium gibt, enorm positive Erfahrungen mit der Online-Nachhilfe gemacht.
Extrem interessant finde ich in diesem Aspekt der Digitalisierung der Lehre auch die Möglichkeiten von Virtual Reality (VR). Bei der allgemeinen Bevölkerung wird VR noch als eine weit in der Zukunft liegende, etwas gruselige Technologie gesehen, die vor allem mit Gaming in Verbindung gebracht wird.
VR enthält dieselben Vorteile der Online-Lehre, wie Flexibilität und die fehlende Anfahrt. Gleichzeitig ist der Lerneffekt in VR weitaus höher und nicht zu unterschätzen. Konfuzius sagte: “Tell me and I will forget, show me and I will remember, involve me and I will learn.”
Eben dies bietet der virtuelle Raum. In der Medizin und Mechanik, wie beispielsweise bei Löt-Kursen, wird er schon regelmäßig genutzt. Alles kann gezeigt werden, der Nutzer kann aktiv eingebunden und beteiligt werden, und das ohne eine Verschwendung von kostbaren Ressourcen und der Anschaffung von Arbeitsmaterialien. So bietet VR auch die Möglichkeit, Chancengleichheit zu erhöhen. Schüler, die sich Ausflüge und Materialien nicht leisten können oder in Gegenden auf der Welt ohne Zugriff auf eine naheliegende Schule leben, können diese Nachteile durch den virtuellen Raum ausgleichen.
Dabei bleibt natürlich noch das Problem, dass guter Internetanschluss und das nötige VR-Equipment natürlich angeschafft werden müssen. Doch mit der weltweit zunehmenden Verbesserung und Ausarbeitung des Internet-Netzes und den schon jetzt fallenden Preisen von VR-Brillen sehe ich diese Probleme in der Zukunft langsam verschwinden.
Natürlich bleibt VR vor allem im Alltagsleben noch ein Ding der Zukunft, doch ich glaube, wir dürfen hier das Potential und die schnellen technologischen Entwicklungen nicht unterschätzen. Ich bin sehr gespannt wie insbesondere Deutschland mit diesen Entwicklungen umgehen wird, da wir ja in der Vergangenheit nicht sonderlich gut mit neuen technologischen Entwicklungen umgegangen sind (Stichwort Ausbau des Internet-Netzes, verspätete Implementierung und Unterschätzung von KI …).
Liebe Grüße,
Jil Huss
Sehr geehrte Frau Huss,
Zustimmung, aber mit Einschränkung!
“involve me …“ Sie haben sehr recht, dass „Involviertheit“ [wissen Sie dafür ein besseres deutsches Wort? „Beteiligung“ nicht wirklich das Gleiche …], dass also Involviertheit eine optimale Art des Lernens ist. Das ist aber noch nicht identisch mit VR. Ob VR ein technischer Ersatz dafür ist, oder die technische Ermöglichung dieser Involviertheit, müsste noch differenzierter diskutiert werden. Neben den technischen Aspekten gibt es ja auch beispielsweise die Frage der emotionalen Beteiligung. (Der „Ego-shooter“ scheint die künstlich zu erzeugen …). Ich meine aber die persönliche Bedeutung/Wichtigkeit der Sache etc. die sich auf den Lern-Effekt auswirkt. „Tua res agitur“ (In meiner Generation zitiert man statt englisch noch gerne lateinisch … ehem.) „Um deine Sache geht es“.
Für Ihr Konfuzius-Zitat gibt es übrigens ein schönes Beispiel. Könnten Sie mit Worten(!) erklären, wie man eine Krawatte bindet? – Versuchen Sie es erst gar nicht! Mit einer Anleitung als Bilderfolge (wie ein Comic) geht’s schon besser, aber auch da muss man sich geistig ziemlich verrenken. Ich habe es als Jugendlicher sofort gelernt, als mein älterer Bruder sich hinter mich stellte und mir die Hände führte …
Einschränken muss man aber, denke ich, dass VR nur dort lern-wirksam ist, wo es um den Erwerb von Fertigkeiten(!) geht: (technische, mechanische) Abläufe/Geräte etc. beherrschen, sich in (fremden) Umwelten zurechtfinden, körperliche Fertigkeiten einüben usw. – Aber die Argumentation eines anspruchsvollen theoretischen Textes verstehen? Einen literarischen Text? Oder einen mathematischen Beweis nachvollziehen? Wie wollen Sie da VR einsetzen? Immerhin können Sie z. B. die Schüler selbst einen entsprechenden Text schreiben lassen oder den mathematischen Beweis selbst finden lassen – wo´s geht. In der Didaktik bekannt als „handlungs- und produktionsorientierter Unterricht“ bzw. besser: „ … Methode“. Genau das habe ich als Didaktik-Prof meinen angehenden Lehrerinnen beigebracht. (Vielleicht mussten Sie als Schülerin auch Briefe an Effi Briest schreiben? Oder ein Gedicht zeilenweise auseinander schneiden und anders wieder zusammensetzen? – Solche grotesken Auswüchse sind glücklicherweise inzwischen wieder aus der Mode gekommen: sie zeugten auch nicht wirklich vom Verständnis des Konzepts.) Was aber selbstverständlich auch hier richtig bleibt, ist, dass die Involviertheit entscheidend ist. Ziemlich einfach: Der Lerneffekt ist größer, wenn die oder der Lernende einen persönlichen Zugang zur Sache hat, vielleicht sogar persönlich-emotional betroffen ist. In der Didaktik/Pädagogik sprechen wir vom „Lernen mit Herz, Hand und Hirn“, womit (wenn man weiß, was damit gemeint ist), all diese Aspekte zusammengefasst werden.
Ich grüße Sie
Erich Schön
Danke für den ausführlichen Text! Es war sehr interessant zu lesen. Ich finde, dass Schulen in Zukunft ein ambivalentes System aufrecht erhalten lassen sollten. Indem ein/zwei Tage die Woche die Schüler von zu Hause aus dem Unterricht folgen, kann auf vieles verzichtet werden: sehr frühes Aufstehen für manche, die Busfahrt oder der Schulweg. Manche Kinder (vor allem auf dem Land) müssen morgens eine Odyssee hinter sich bringen, um in die Schule zu gelangen und zurück. Meine Schwester und ich haben jeden Tag bestimmt mindestens eineinhalb Stunden damit verbracht, zur Bushaltestelle zu laufen, auf den Bus zu warten und zur Schule und zurück zu kommen. Das sind in der Woche 7,5 Stunden. Die Zeit können und wollen Kinder bestimmt auch anders nutzen. Ich fände es toll, die Gelegenheit wahrzunehmen, respektvoller mit der Zeit jüngerer Generationen umzugehen, sofern es eine gute Möglichkeit dazu gibt. Schließlich sind wir alle nur einmal jung, und diese sorglose Zeit sollte man in allen Zügen genießen können.
Sehr geehrte Frau Filipp,
Danke für Ihren Kommentar! Sie bringen einen Aspekt ein, an den ich gar nicht dachte, und von dem ich weder von „meinen Lehrerinnen“ gehört hatte (was daran liegt, dass sich die meist auf die Stadt Köln beziehen), noch irgendwo in den Diskussionen gelesen habe: Die „Fahrschüler“ auf dem Land. Ja, hier gilt Ähnliches wie bei den Arbeitnehmern im Homeoffice. Lange Arbeits- oder eben auch Schulwege sind einfach unproduktiv und eine inzwischen (= digital) vermeidbare Belastung. Von Kosten und Umweltaspekten ganz zu schweigen. Deshalb haben auch die Unrecht, die meinen, dass `durch den Lockdown bereits jetzt die Schüler ein Schuljahr verloren haben´ etc. Natürlich müssen alle(!) Beteiligten erst lernen, mit der neuen Situation umzugehen; aber langfristig sehe ich – wie Sie – das Optimum in einer Kombination von Tele- und Präsenzlehre – und somit digital learning bzw. teaching nicht nur negativ als Notlösung. (Das gilt auch für die Hochschule.) Es ist ein Missverständnis, die aktuelle Entwicklung nur als Austausch zweier „Methoden“ zu sehen (analog wird durch digital ersetzt), während sonst alles gleich bleibt; das gesamte System muss / wird sich ändern.
Ich grüße Sie
Erich Schön
Ich sehe es als Studentin (Architektur) und wäre froh, wenn es wieder Präsenz-Veranstaltungen gibt. Nicht nur wegen dem sozialen Umfeld, vor allem, weil es vieles vereinfacht in der Entwurfsphase und den Austausch wieder ermöglicht, welcher wichtig für uns Studenten ist.
Wenn ich nun auf meine Schulzeit zurück blicke, würde ich sagen der Präsenz-Unterricht ist wichtig und sollte auch in Zukunft nicht durch Online-Veranstaltungen ersetzt werden (tägliche Fahrtzeit zur Schule bei mir damals 2 Stunden).
Zusammenfassend ist der Weg zur Schule oder Universität, etc. sinnvoll, wenn man dies vergleicht mit dem was man vor Ort lernt, nicht nur schulisches Wissen, sondern vor allem soziales Miteinander.
Ich stimme hier Frau Huber zu. Gerade in praktisch-orientierten Studiengängen ist der Austausch nicht nur mit Kommilitonen wichtig, sondern auch mit den Lehrenden. Gemeinsames Arbeiten in den Räumlichkeiten der Hochschule bedeutet auch gemeinsames “Leid“ zu ertragen. Man ist motivierter, man lässt sich einfacher mitziehen. Auch die Ablenkung in so einem Umfeld ist geringer als das arbeiten von zu Hause oder die Vorlesung zu verfolgen.
Mir persönlich fällt es schwerer, einer dreistündigen Vorlesung online zu folgen, als wenn sie im Präsenzunterricht stattfinden würde. Auch habe ich das Verlangen nach eine Pause schneller während der Online-Vorlesung als in Präsenz. Diskussionen sind ermüdender und kommen nicht so richtig in Fahrt.
Mir fehlt seit online nicht nur das soziale Miteinander, sondern auch die Bewegung und der Ausgleich. Die Fahrt zur FH und wieder zurück, das herumstreunen im Gebäude, der kleine Gang zum Seerhein während einer Pause. Klar kann man auch während der Online-Vorlesungen einen Spaziergang machen oder eine Runde Yoga, dennoch gleicht es das sonstige Pensum an Bewegung und Ablenkung nicht aus meiner Meinung nach.
Auch finde ich es schwierig, bestimmte Inhalte online zu vermitteln. Meine Mitbewohnerin studiert Biologie, sie muss per Videos lernen, wie sie Tiere bestimmt, was sie sonst vor Ort in einem Labor am Objekt selbst lernen würde. Sie selbst tut sich damit schwer, da ihr das eigene Praktizieren dazu fehlt.
Sehr geehrter Herr Schön,
besonders spannend war für mich ihre Darstellung der Betroffenheit des Menschen im Bezug auf Corona und den Klimawandel. Der Vergleich, dass man bei Corona selbst auf der Intensivstation landen könnte, trifft genau den Aspekt, der uns im Hinblick auf den Klimawandel fehlt, nämlich die von Ihnen bestimmte unmittelbare Betroffenheit.
Der Klimawandel ist fast allumfassend, er wird zahlreiche Bereiche unseres Lebens grundlegend verändern, wenn wir nicht augenblicklich handeln. Toxische Luft, Hitzewellen, extreme Wetterphänomene, Konflikte sind nur ein Bruchteil einer langen Kette an Veränderungen. Dennoch wirkt der Klimawandel wie ein unsichtbarer Feind. Kaum greifbar, zwar durch Daten und Fakten präzise dargestellt und festgehalten, aber eben leider noch nicht so konkret wie eine Intensivstation. Wird der Klimawandel in selbem Maße konkret, anschaulich und spürbar, kann es sein, dass wir den Zeitpunkt zu handeln längst verpasst haben.
Sehr geehrte Frau Hammerschmidt,
wie recht Sie doch haben! Bringt man „Corona“ (incl. der Frage, was wir daraus lernen können/sollten) und „Klimawandel etc.“ zusammen, dann wird es schnell ganz konkret. Da brauchen wir gar nicht zu den schmelzenden Gletschern in Grönland oder den versinkenden Inseln im Pazifik zu gehen; das kommt uns selbst ganz nah.
Beispiel Deutschland: Klimawandel bedeutet die Zunahme extremer und untypischer Wetterlagen – ist inzwischen bekannt. Die Sommer 2018 und 2019 waren so trocken, dass – trotz zwischenzeitlichen Regens – die Grundwasserspeicher noch nicht wieder aufgefüllt sind. Wenn wir Glück haben, regnet es in diesem Sommer etwas mehr. (Ja, ich weis, Sie wollen ans Hörnle.) Sicher ist, dass es bereits in naher Zukunft auch in D immer wieder sehr trockene Sommer und damit ein Wasser-Defizit geben wird. Folgen: Waldbrände, vertrocknende Ernten, langfristig Trinkwasser-Mangel (zugegeben, nicht hier am Bodensee). Das ist keine Spekulation, das wissen wir! Und nicht irgendwann in ferner Zukunft; wenn nicht 2020 oder 2021, dann 2022 oder 2023. Damit wissen wir auch, was wir – jetzt! – tun müssten: Dezentrales Wasser-Management: Staubecken, Zisternen etc. als Reserven für Waldbrände und zur Bewässerung – in südlichen Ländern gibt/gab es derlei z. T. seit Jahrhunderten. Und Schutz unseres Grundwassers (Boden-Entsiegelung etc.). Aber was tun wir stattdessen? Wir versau(!)en unser Grund(= Trink)wasser mit Gülle.
Wir sind ganz aktuell: D kauft mit EU-Subventionen in Südamerika Soja, ruiniert dort Kleinbauern und den Regenwald; mit dem Soja werden in D unter tier- und menschenverachtenden Bedingungen Schweine gemästet und geschlachtet – und zum erheblichen Teil exportiert (und wieder EU-Subventionen). D ist der weltweit zweitgrößte Ex(!)porteur von Schweinefleisch! 2019: Export von Schweinefleisch aus D = 2,4 Millionen Tonnen. Was in D bleibt, sind 300 Milliarden Liter Gülle pro Jahr von Schweinen, Rindern u. Geflügel, mit denen unser Grundwasser – teils irreparabel – geschädigt wird.
Was das Beispiel zeigen soll: Wir wissen, dass das Problem kommt, und zwar bald; wir wissen, dass wir etwas tun müssen; und wir wissen sogar, was. Warum tun wir nichts?
Ich grüße Sie
Erich Schön