… zeigen sich die Menschen so, wie man es von ihnen erwartet, in kleinen geben sie sich so, wie sie sind.«
Nicolas Chamfort
Chamfort, Nicolas: Ein Wald voller Diebe. Maximen, Charaktere, Anekdoten. Nördlingen: Greno, 1987. S. 24.
Ein Quarantäne-Blog in Krisenzeiten
Herausgegeben von Volker Friedrich
… zeigen sich die Menschen so, wie man es von ihnen erwartet, in kleinen geben sie sich so, wie sie sind.«
Nicolas Chamfort
Chamfort, Nicolas: Ein Wald voller Diebe. Maximen, Charaktere, Anekdoten. Nördlingen: Greno, 1987. S. 24.
Im Alltag, also wenn es um kleine Dinge geht, handelt man meist ganz intuitiv und schnell, ohne viel darüber nachdenken zu müssen und ohne Druck von außen. Über große Dinge denkt man intensiv nach und fällt dann die Entscheidung ganz bewusst, auch weil dabei der Aspekt mitschwingt, mögliche Erwartungen erfüllen zu müssen. Dies führt allerdings auch zu Druck. So können die Erwartungen und der daraus resultierende gesellschaftliche Druck belastend sein, wenn man die Anforderungen nicht erfüllt und somit den klassischen Vorstellungen nicht entspricht. Unter Umständen kann es dann passieren, dass man sich verstellt und nicht mehr man selbst ist, nur um nicht aus dem Raster zu fallen. Oftmals ist es nicht leicht, daraus auszubrechen, und es braucht viel Mut. Dabei sollte es doch eigentlich darum gehen, dass man selbst glücklich ist und nicht nur rein aus Prinzip und Norm so ist, wie man ist.
Das sei wohl stark abhängig davon, was groß und klein beinhaltet. Nehmen wir uns als „groß“ einmal die Corona-Pandemie als Beispiel. Immer wieder mussten wir in diesem Jahr spüren, wie stark sich die Gesellschaft in mehr oder weniger zwei Richtungen bewegt. Anfangs hätten wohl nur wenige von uns erwartet, dass sich eine solch große Menge von Menschen gegen die Vorgaben der Politik stellen. Aus Erfahrungen im weiten Umfeld kann ich berichten, dass sich diese Menschen (zumindest zu Beginn) im privaten Bereich, und damit sind hier „die kleinen Dinge“ gedacht, erst nach und nach herauskristallisiert haben.
Wenn als „großes Ding“ das Thema Klimaschutz gesehen wird, erscheint mir Frau Scholls Ansatz (im früheren Kommentar) durchaus ein guter zu sein. Denn viele der Verfechter der Fridays-for-Future-Bewegung werden nicht zum großen Teil klimaneutral sein. Die Frage ist nur, ob es dabei nicht eher darum geht, die Gesamtbevölkerung aufhorchen zu lassen, als Einzelne dafür zu beurteilen wie sie sich „im Kleinen“ verhalten.
Meiner Meinung nach spricht Nicolas Chamfort in seinem Zitat ein wichtiges Thema an. Schauen wir uns einmal die Fridays For Future Bewegung an. Sie hat hohe Wellen geschlagen und viele Menschen weltweit zu Protesten aufgerufen.
Viele Menschen nahmen aus ihrer eigenen Überzeugung heraus daran Teil. Aber wie bei vielen Themen entwickelte sich auch dieses zu einer Art Trenderscheinung. Und es gehörte plötzlich zum Guten Ton an für härtere Maßnahmen in Sachen Umweltschutz zu propagieren. Doch hätte sich jeder der Protestteilnehmer wirklich ein umweltfreundliches Verhalten angeeignet sähe unsere Welt anders aus. Es sind die kleinen Gesten und Taten die uns ausmachen. Wie man im Privaten davon redet, denkt und handelt. Vermeide ich die Nutzung von Plastikverpackungen und Tüten? Lasse ich das Auto so oft wie möglich stehen und nütze öffentliche Verkehrsmittel? Setze ich mich auch wenn es niemand mitbekommt für Umweltschutz ein?
Es ist nicht zu bestreiten dass sich durch große Gesten schon vieles zum Besseren gewandelt hat. Doch es bedarf der kleinen Taten um einen Unterschied zu machen.
Auch wenn ich mich noch keinen wirklich „großen“ Dingen ausgesetzt gefühlt habe, so merke ich doch, wie ich, mit steigender Wichtigkeit der Herausforderung, auch mehr versuche, das Richtige zu tun. Dabei kommt auch immer mehr das, was ich denke, was von mir erwartet wird, mit ins Spiel. In alltäglichen Situationen werde ich von den Erwartungen gelenkt, welche ich an mich selbst stelle. Dennoch glaube ich, dass dies nicht unbedingt repräsentieren muss, wer ich bin, sondern nur, welche Priorität ich der jeweiligen Tätigkeit zuschreibe. Ich sehe daher das Zitat daher auch als ein wenig zynisch an.
Bezüglich Trump habe ich das Gefühl, dass er sich frei von den Erwartungen anderer bewegt. Für mich wirkt es, als seien alle seine Handlungen darauf gerichtet, sein Selbstbild aufrecht zu erhalten. Natürlich ist dabei sein Ziel, das die Menschen Amerikas sein Bild teilen und ihn als diesen Macher ansehen, der alles im Griff hat, es sei denn, irgendjemand anderes hat seinen Erfolg durch Sabotage/Unfähigkeit unmöglich gemacht. Erwartungen von Wissenschaftlern, Beratern, Andersdenkenden scheinen seine Entscheidungen allerdings nicht zu beeinflussen.
Ist das so? Wie kann es dann sein, dass man doch oft überrascht wird von den Handlungen anderer Menschen, insbesondere denen mit viel Macht und Reichweite? Was, wenn verschiedene Menschen verschiedene Erwartungen an eine Person haben?
Liebe Frau Huss, dear others,
Ihrem Zweifel an dieser These würde ich mich anschließen. Man könnte zur Begründung das von Erwartungen abweichende Verhalten des amerikanischen Präsidenten anführen, den man wohl unter die Ausnahmen von dieser Regel rechnen darf. Es fielen mir zahlreiche Beispiele von Verhaltensweisen von Menschen im Blick auf große und kleine Dinge ein, die diese Regel nicht bestätigen. Ja, es ist sogar so, dass ich in große Verlegenheit käme, Beispiele zu finden, bei denen diese Regel zutrifft.
Der entscheidende Einwand gegen diese These ist jedoch der Punkt, den Sie auch nennen: Die Erwartungen an einen Menschen treten in unserer Gesellschaft zumeist nicht im Singular auf, die ein anonymes „man“ formuliert, sondern im Plural der Erwartungen, die an die diversen Rollen gerichtet sind, die wir in unserem Leben bekleiden. So dürfte es selbst in dieser Lehrveranstaltungen zahlreiche (große und kleine) Erwartungen von Veranstaltern und Teilnehmern geben, die sich erst einpendeln müssen. Und vielleicht sind ja die Abweichungen interessanter und lehrreicher als die Erfüllung von Erwartungen …
Herzliche Grüße, Michael Wörz