… zeige ich stets ein hartes Gesicht. Sie denken dann, daß ich ein von hoher Obrigkeit beauftragter scharfer, bösartiger Aufpasser und Polizist in Zivil sei, der aufs Fahren aufpaßt, sich die Nummern des Fahrzeuges merkt, um selbige später gegebenen Ortes zu hinterbringen. Finster schaue ich auf die Räder, auf das Ganze, nie jedoch auf die Insassen, die ich, zwar keineswegs persönlich, aber rein grundsätzlich verachte, da ich nimmermehr begreife, wie man es ein Vergnügen nennen kann, so an allen Gebilden, Gegenständen, die unsere schöne Erde aufweist, vorüberzurasen, als sei man toll geworden und müsse rennen, um nicht zu verzweifeln.«
Robert Walser
Walser, Robert: Der Spaziergang. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1978(2). S. 21. (Erstmals 1917 erschienen.)
Wie gefährlich Geschwindigkeit sein kann und wie wenig Reaktionszeit man hat, musste ich erst neulich selbst als Beifahrer erfahren. Glück im Unglück, auf der Autobahn bei 130 km/h. Das Resultat: Unser Auto rast durch die Mitte, zwischen einem VW und einem LKW. Es war nicht unsere Schuld, der VW hatte uns bei seinem Überholvorgang im toten Winkel nicht gesehen. Die Reaktionszeit waren maximal 3 Sekunden, in denen sich das Schicksal entscheiden kann. Das bei 130 km/h, keine 250. Nach dieser Situation hat sich einiges für mich verändert.
Klar, man hört oft von schweren Unfällen, doch wenn man es selbst einmal »fast« erlebt hat, wird einem erst so richtig klar, dass man kaum eine Chance hat, rechtzeitig zu reagieren. Wir sind lediglich mit einem Auto-Schaden davongekommen, verletzt hat sich zum Glück keiner. Das hätte bei 200 km/h sicherlich anders ausgesehen. Man setzt sein Lebens auf Spiel, um lächerliche 5 Minuten früher am Ankunftsziel einzutreffen. Doch was sind 5 min, verglichen mit dem Leben. Wir hetzen uns zu sehr, erkennen die kleinen Freuden nicht mehr, steigen nur ins Auto, um schnellstmöglich wieder auszusteigen. Doch was passiert schon groß, wenn wir 5 Minuten später dran sind?
Die Menschen vergessen immer mehr, innezuhalten und zu genießen. Die ganze Welt ist nur noch schnell und hektisch, jeder flitzt gestresst von A nach B, und nur wenige schätzen den Moment. Dabei gibt es so viel, was diese Menschen mit ihrer hektischen Lebensweise verpassen. Wir sollten uns mehr auf uns und unsere Umwelt konzentrieren, diese schätzen lernen und jeden Tag bewusst erleben.
Menschen, die schnell in ihrem Auto durch die Welt rasen, geht es in erster Linie nicht darum, die Welt zu erkunden, sondern sich Zeit einzusparen. Zeit scheint das wichtigste Gut in unserem Alltag zu sein.
Oftmals ist das Auto auch ein Ruhepol, an dem man ganz für sich selbst ist. Die Spotify Playlist wird gestartet und man beginnt sein eigenes Livekonzert.
Jedoch gibt es so vieles, was auf dem Weg entdeckt werden könnte. Den Menschen heutzutage fehlt die Begeisterung für ihre Umwelt, und daher interessieren sich nur wenige für den Weg, den sie beim Autofahren zurücklegen. Viel wichtiger scheint es zu sein, eine möglichst kurze Zeitspanne zu benötigen, um sein eigentliches Ziel zu erreichen. Wenn wir jedoch viel bewusster unsere Umwelt wahrnehmen würden, würde uns so vieles auffallen. Vor allem in langsameren Fahrzeugen wie der Bahn oder dem Fahrrad kann man die Umwelt bewusster wahrnehmen.
Ständig wird nur das nächste Straßenschild oder die nächste Ampel beachtet. Wohingegen die Umwelt in den Hintergrund gestellt wird.
Dieses Phänomen betrachtet man bei jüngeren Generationen jedoch häufiger als bei den älteren. Diese fahren oftmals langsam, worüber sich jüngere Generationen dann sogar noch aufregen. Obwohl man beim langsameren Fahren zum einen die Umwelt bewusster wahrnimmt, zum anderen die Unfallgefahr reduziert.
Fährt man selbst, nimmt man die Umgebung wahr und ist sich bewusst, wo man gerade fährt. Mir ist es schon oft aufgefallen, dass die Beifahrer im Auto oft die Umgebung komplett ausblenden und die Orientierung verlieren. Doch auch die Fahrer selbst blenden die Umgebung immer mehr aus. Selbst wenn man nur im Nachbarort zum Supermarkt fährt, muss das Navi eingeschaltet werden. Wir erkennen unsere Umgebung nicht mehr so gut und können uns schlechter orientieren.
»Wer rast, gefährdet nicht nur sich, sondern auch andere.« Das ist nicht nur eine Floskel, sondern Programm, wenn ein Auto mit 250 km/h auf ein anderes trifft oder einen Radfahrer oder die alte Dame in der Fußgängerzone. Die Leute scheinen an völliger Selbstüberschätzung erkrankt zu sein, wenn sie meinen, bei so einem Tempo noch rechtzeitig reagieren zu können. Verachtende Blicke von Leuten, denen das Wohl anderer wichtig ist, ist angemessen. In Amerika tötete kürzlich ein junger Mann namens Cameron Herrin beim Rasen eine Junge Frau und ihr ein Jahre altes Kind. Der Vater der Familie bleibt mit nichts als Trauer und einem kaputten Leben ohne seine geliebten Menschen zurück. Cameron Herrin bekam 24 Jahre Haft. Mehr Jahre, als der junge Mann alt ist.
Der Verkehr selbst hat mit Sicherheit Teilschuld an dem Phänomen, dass die uns umgebende Welt nur noch in Schemen wahrgenommen wird. Ständig muss er beachtet werden, um in Sekundenbruchteilen auf die nächste rote Ampel, oder ein abbremsendes Auto reagieren zu können. Die neue Lösung: autonom fahrende Autos. Da stellt sich jedoch die Frage, ob das die richtige Richtung der Entwicklung ist?!
Mit dem Auto kommen wir schneller an als zu Fuß, trotzdem hat man sehr oft das Gefühl, zu wenig Zeit zu haben, zu wenig Zeit, um die Welt um einen herum zu betrachten.